Eine Schleusinger Mordtat und ihre Sühne


zusammengetragen von Wim D. Grimm

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Einleitung
von
Wim D. Grimm

Die Ermordete

Der Mörder

Henneberger
Heimatblatt
von 1934

Steinkreuze
in Thüringen

Henneberger Heimatblatt von 1934



In der Vereinsbücherei des Hennebergisch-fränkischen Geschichtsvereins in Schleusingen befinden sich u. a. auch handschriftliche Untersuchungsakten gegen den Gattenmörder Joh. Nikolaus Schubert zu Schleusingen aus dem Jahre 1806. Über diese Mordtat berichtete auch ziemlich ausführlich eine damalige Zeitschrift "Gnädigst privilegierte thüringische Vaterlandskunde", "31. Stck. 1806. Einleitend bemerkte der ungenannte, jedenfalls in Schleusingen ansässige Berichterstatter:
"Es gereicht unsere Stadt wohl gewiß zu Ehre, daß man sich bei einer doch über Seelen sich belaufenden Anzahl ihrer Einwohner aus einer reihe von wohl mehr als 80 Jahren keines Verbrechens gröberer Art erinnert, welches die Geschichte derselben einigermaßen entweihen könnte".

Es folgt nun der bericht über die Tat und über die Überführung des Mörders. Eine noch ausführlichere Schilderung der Untat und auch der Sühne. Derselben enthält ein Brief des aus Keulrod stammenden Sekundaners Chr. Heim vom Schleusinger Gymnasium, den dieser an seinen Bruder richtete. Es gibt uns einen Einblick, in den zu jener, doch gar nicht allzu weit zurückliegenden Zeit noch herrschenden finsteren Aberglauben, der sich besonders an die zur Sühne für ihre Taten gewaltsam vom Leben zum Tode beförderten Verbrecher anschloß. Vollkommen unverständlich ist uns heute auch die damalige völlig mittelalterlich anmutende Auffassung der Behörde vom Strafvollzug, die eine Hinrichtung zu einer öffentlichen Angelegenheit, zu einer Art Schauspiel werden ließ. Lassen wir nun den schon erwähnten Brief des Gymnasiasten Chr. Heim vom März 1808 folgen. Dieser befindet sich im sogenanten Heimschen Nachlaß, einem Aktenstück der Bücherei des oben erwähnten Vereins zu Schleusingen.

Hier hat es sich ereignet (Wanderkarte: Rund um den Adlersberg)

"Lieber Bruder!
Ofteres habe ich Dir schon die Begebenheiten, die teils in unsrer Stadt selbst, teils in der umliegenden Gegend zutrugen, beschrieben und die Merkwürdigkeiten in Briefen mitgeteilt, aber Dir gewiß nie eine so schreckliche, die Würde des Menschen so entehrende Tat geschildert. Ach, bloß der Gedanke an diesen Vorfall erschüttert mich, es bebt mir die hand bei jedem Federzug, kurz ein Schmerzensgefühl durchwühlt die tiefsten Gründe meines Herzens. Schrecklich brach der Trauertag heran, wo der Mörder seinen verdienten Lohn empfing.
Der gewesene Ratsschäfer Johann Nikolaus Schubert war der Verbrecher, der am 4 März 1808 zwischen 10 und 11 Uhr vormittags die Blutschuld abbüßte. Ach, er war es, der mit kleinen Entwendungen anfing und immerzu größeren Diebstählen fortschritt, und endlich, einverstanden mit seiner Frau, selbst seine Freunde und Anverwandten nicht schonte und ihnen ihr Eigentum raubte, und da er endlich einmal wegen entdeckten Diebstahls, wo er dem Rat Schafe gestohlen hatte, seiner Schäferdienste entsetßt wurde, stahl er seinem Nachfolger in dem Ratsschäferdienste auch 2 schafe, nicht um sich zu bereichern, nicht aus dringendem Mangel, sondern um seine Rache an ihm zu kühlen und den Schäfer dadurch in Verdacht zu bringen und ins Unglück zu stürzen, und dann in der Hoffnung, wann dieser, abgesetzt würde, wieder den ihm abgenommenen Schäferdienst erlangen zu Können.
Da er nun zum zweiten mal wegen entdeckten Diebstahls, den er, von seinem Weibe dazu beredet, zugleich mit ihr verübt hatte, vom hiesigen Stadtgericht gebührendbestraft worden war, so suchte er allerlei Ursachen zu Verdrieslichkeiten und Zänkereien auf, lies sich öfters mit ihr in zank ein, dem sie aber aus zuweigen suchte. Darauf faßte er endlich den unseligen Entschluß, sie zu ermorden. Er beredete sie daher, am 23. Mai 1806 mit ihr ins Holz zu gehen, wozu sie sich auch, ohne etwas Böses zu ahnen, bereden lies und mit ihm ging. Unterwegs fing er nun den zank von dem Diebstahl, wozu sie ihn verleitet hätte, wieder an, brach in Schmähworte aus und geriet dann in einen heftigen Wordwechsel mit ihr, der endlich in den erbittersten Zank ausartete, den sie aber wieder ganz kaltblütig und gelassen von sich abzulehnen suchte. So Kamm sie nun bis ins Gehölze, wo er endlich seinen Vorsatz vollführte und sie, die eben Holz zusammenlesen wollte, so stark mit dem Beil auf den hinterteil des Kopfes schlug, daß sie sinnlos ohne Bewusstsein niedersank, und da er aber noch einige Spuren von leben in ihr entdeckte, ihr mit ihrem eigenen Messer, das sie gewöhnlich in der Tasche bei sich trug, die Kehle abschnitt, und sie dann tiefer in das Dickicht des Waldes schleppte, und tags darauf sie daselbst vergrubt.
Dan kam es, dass der Hirte der hiesigen Vorstadt von ohngefähr in das so genannte Bärental weidete, wo er auf einmal in dem tiefsten Dickicht des Waldes ein Schreckliches Brausen und Toben des Herdochsen hörte, welchem er sogleich nachging, um die Ursache des Tobens zu entdecken, und fand, ach, welcher Anblick, daß der Ochse die Hand eines toten Körpers heraus gescharrt hatte. Er trieb sogleich nach Hause, zeigte diesen Vorfall dem hiesigen Stadtgericht an, das sein Ochse eine Tote Hand aus der Erde herausgewühlt habe.
Nun wurde der Schubert noch an demselben Tag in Verhaft genommen und verhört, wo er dann seine Mordtat den eindringenden Fragen der Richter eingestand. Tags darauf den 21. Juli 1806 früh zwischen 9 und 10 Uhr wurde nun der ermordete Leichnam im Beisein der hiesigen Richter und vor den Augen des Schäfers heraus gegraben und von dem hiesigen Physikus Dr. Wellenberg genau untersucht und seziert, wo der Mörder sogleich seinen verübten Mord und die Ursachen, von denen er zu diesem Schrittverleitet worden, freimütig angab, was sogleich alles aufgeschrieben wurde und die Akten über diese Tat an die beiden Sächsischen Juristenfakultäten Leipzig und Wittenberg verschickt wurden, welche erstere ihm daher das Rad und der nachherige Flechtung auf dasselbe zuerkannte, welches Urteil die Wittenbergische Fakultät in allen Punkten bestätigte, worauf sich aber dieser Schäfer an die Gnade unsers Königs wandte, der ihm diese schreckliche Todesstrafe in eine mildere verwandelte und ihm das Schwert zuerkannte und die nachherige Flechtung aufs Rad.
Diese Urteil wurde nun den 4. März 1808 auf dem hiesigen Markte vollzogen und dann der Leichnam des Geköpften ohnweit der Stadt aufs Rad geflochten, und der Kopf so aufgenagelt, daß er nach dem Bärental gerichtet war. Ob nun gleich die Witterung nicht so günstig war, so kamen doch schon am Abend des vorhergehenden Tages ziemlich viel Fremde, und an dem Tage der Exekution strömte von allen nah liegenden Orten eine große Volksmenge herbei, daß schon früh sechs Uhr alles so lebendig auf dem Markt war, daß man in eine große Handelsstadt versetzt zu sein glaubte. Da nun, wie Dir bekannt sein wird, bei einer solchen Exekution einige Bußlieder gesungen werden, welche der hiesige Kirchner mit den untersten Klassen hätte singen sollen, welches ein erbärmliches Geschrei hätte werden können, so wurde dies, um diesem lächerlichen Unfug zu steuern, den drei oberen Klassen unseres Gymnasiums vom Hochlöbl. Assessor Mücke so gefällig vorgetragen, daß wir diesen Auftrag gern annahmen, da wir über dem das peinliche Halsgericht sehr gut mit anhören und die dabei gewöhnlichen Zeremonien mit ansehen konnten. Jedoch waren wir ohne Zwang, es konnte wegbleiben, wer wollte, ohne Verdrießlichkeiten ausgesetzt zu sein.
Am Tage der Exekution hielt der Hochlöbl. Assessor Mücke eine Predigt, worin er die Schrecklichkeit dieses Tages darstellte und die Warnung erteilte, an diesem Mörder ein Beispiel zu nehmen, Gott aber um Gnade anrief, diesen armen Sünder nicht zu verlassen, sondern seiner Gnade teilhaftig werden zu lassen. Nach der Kirche versammelten wir uns im oberen Hörsaal unseres Gymnasiums, wo wir dann von unserem Kantor abgeholt, Paar für Paar auf das Rathaus zogen, und von da von dem Hochlöbl. Stadtrichter, Stadtsyndicus, den 4 Schöffen, Hochlöbl. Diakonus Schreiber und Pastor Eck von St.Kilian begleitet in den Reihen, welche die Hennebergische Landmilitz und die hiesige Bürgerwehr formierten, zu dem Richtplatz zogen. Hier stellten wir uns in einem Kreis um das Blutgerüst herum, und hinter uns schlossen Musketenträger einen größeren Kreis, welche uns vor dem Gedränge und Anlauf der Volksmenge schützten. So wie nun die Glocke zehn schlug, kam der Delinquent von den beiden Knechten und unter Begleitung einer ziemlichen Bedeckung geführt, und kaum war er angekommen, so hielt der Hochlöbl. Stadtrichter Beier eine vortreffliche Rede, nach welcher ihm beide Urteile zum letzten Mal vorgelesen wurden. Nach der Verlesung derselben fragte ihn nun der Hochlöbl. Stadtrichter Beier: Schubert ist dies das Beil, womit du deine Frau erschlagen hast? Ist dies das Messer, womit Du ihr die Kehle abgeschnitten hast?, welche Fragen er ganz gelassen und ich weiß nicht, soll ich sagen standhaft, aber doch gewiß mit einer solchen Festigkeit und Gemütsruhe, die Bewunderung erregen musste, beantwortete. Da er nun diese Fragen beantwortet hatte, sprach der Hochlöbl. Stadtrichter nochmals: Nun so ist keine Rettung mehr für Dich unter den Menschen, und ich breche daher den Stab über Dich. Dies habe ich Dir als Richter angekündigt, doch als Mensch wünsche ich, dass Dein Scheiden von der Welt so geschwind als möchlich sein möge. Hierauf wandte er sich an die beiden Geistlichen: "Nun verrichten Sie, meine Herren, Ihr Amt an diesem armen Sünder." Nun stellten die beiden Geistlichen ihm nochmals seine schreckliche Tat vor, für welche das Todesurteil gerechte Strafe sei, flehten Gott um Vergebung seiner tat an und baten, da für seinen Körper keine Gnade mehr zu finden wäre, und er diese Tat nicht versühnen könnte, seiner Seele wenigstens Rettung Widerfahren zu lassen. Hierauf segneten ihn die beiden Geistlichen ein und dann wurde er aufs Blutgerüst geführt, wo ihm doch die Knie etwas wankten, da er auf die Treppe stieg, welche ihn zum Tode führte.
Auf dem Schafott hielt nun der Delinquent noch eine kurze Anrede ans Volk, worin er es vor einer solchen Tat, wozu ihn sein böses Weib verleitet hätte, warnte, und sie ermunterte an ihm sich ein Beispiel zu nehmen, bedankte sich auch bei seien Wohltätern, die ihn in seinen letzten Lebenstagen noch erquickt hatten, und dann setzte er sich auf den Richtstuhl. Es erfolgte nun die Enthauptung des Schubert mit dem Schwert durch den Scharfrichter H. aus Suhl."

Hieran schließt sich dann eine Schilderung der widerlichen, Abscheu erregenden Szenen, die sich im Anschluß an die Exekution abspielten. Der Briefschreiber fährt fort:

"Jetzt eilten nun einige fremde Bauern, sich aus der Volksmenge hervordrängend, herbei, fingen, von dem niedrigsten Aberglauben betört, dies Blut in einem irdenen Gefäß auf, wo manches Sandkorn mit dabei sein konnte und tranken es teils selbst, teils reichten sie dies einem Knaben hin, der dies Blut ohne allen Ekel einschlürfte. Ja, es blieb nicht einmal dabei, sondern man schabte sogar das Blut von den Brettern des Blutgerüstes ab und verzehrte dies samt dem Sand und beschnitt den Richtstuhl so sehr, daß er, vorher ganz schwarz, jetzt weiß gefleckt aussah. Ja, noch weiter ging dies übertriebene, einfältige Aberglaube, welcher die härteste Ahndung verdiente, daß sogar am andern Morgen ein Brett vom Blutgerüst, welches den Schindersknechten gehört, gestohlen, und was noch abscheulicher und schrecklicher ist, fast der ganze Leichnam auf dem Rade ganz entblößt wurde, daß ihn der Herr Stadtrichter, um diese Schande einigermaße zu verdecken, wieder mit Lumpen hat bedecken lassen.
Welches Gefühl muß dies für den edeldenkenden und gebildeten Mann sein, welchen Ekel musste dies erregen, zu sehen, wie Leute Mörderblut tranken, um epidemische Krankheiten und Jichtschmerzen dadurch zu heilen. O welcher Unsinn, welche Entehrung für unser Zeitalter, welche Erniedrigung für die heutigen Sitten und für die Aufklärung unsrer Zeit, den jedoch die Obrigkeit hätte verbieten sollen!"

Diesen Gefühlsausbrüchen unseres Briefschreibers brauchen wir wohl nichts hinzuzufügen; wir können ihnen restlos beipflichten.